Die Wohnsituation in Vorarlberg hat sich in den letzten zehn Jahren dramatisch verschlechtert. Was früher ein Grundrecht war, ist heute für viele Menschen zu einem unbezahlbaren Luxus geworden. Laut einer Erhebung der ARGE Wohnungslosenhilfe hat sich die Zahl der Menschen in ungesicherten Wohnverhältnissen seit 2013 mehr als verdoppelt. Waren es vor zehn Jahren noch weniger als 1.000, die auf Unterstützung angewiesen waren, suchten allein 2018 fast 2.000 Menschen Hilfe. Von diesen lebten viele nur notdürftig bei Verwandten und Freunden, andere sahen sich durch Mietrückstände unmittelbar von Delogierungen bedroht. Jeder fünfte Haushalt, der sich an die Beratungsstellen wendet, ist bereits akut von Obdachlosigkeit bedroht.
Während der Anteil der Wohnkosten im Schnitt drastisch gestiegen ist, stagnierten die Einkommen vieler Vorarlberger:innen. Besonders betroffen sind Geringverdiener:innen, aber auch immer mehr Menschen aus der Mittelschicht müssen mittlerweile 40-50% ihres Gehaltes für Miete aufbringen. Durchschnittlich kostet ein Quadratmeter Neubau im Rheintal inzwischen 25 Euro pro Monat – das bedeutet für eine 50 Quadratmeter große Wohnung monatliche Mietkosten von über 1.200 Euro. Für einen durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmer bleibt da kaum noch Spielraum für Lebenshaltungskosten.
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Wohnen nur noch für Reiche?
Die aktuelle Situation ist das Ergebnis einer verfehlten Wohnbaupolitik der letzten Jahre, die durch die beiden Regierungsparteien im Land, ÖVP und Grüne, vorangetrieben wurde. Zwar hat die Landesregierung mit ihrem Ziel von 4.000 neuen gemeinnützigen Wohnungen große Versprechungen gemacht, diese aber grandios verfehlt. Bis Mitte 2024 waren lediglich 2.031 Wohnungen fertiggestellt. Damit bleibt Vorarlberg eines der Bundesländer mit dem geringsten Anteil an gemeinnützigem Wohnbau. Nur 13,3 Prozent der Hauptwohnsitze in Vorarlberg sind gemeinnützige Wohnungen – im Bundesschnitt sind es fast doppelt so viele.
Vorarlberger:innen sind dadurch gezwungen, sich auf den privaten Wohnungsmarkt zu begeben, wo die Preise zu den höchsten in ganz Österreich zählen. Dies führt zu einem paradoxen Phänomen: Selbst Menschen, die über ein stabiles Einkommen verfügen, haben zunehmend Schwierigkeiten, ihre Miete zu bezahlen und müssen Kompromisse bei ihrer Lebensqualität eingehen. Ganze 83 Prozent der Teilnehmer:innen einer kürzlich durchgeführten Umfrage der Arbeiterkammer Vorarlberg gaben an, sich von ihren Wohnkosten belastet oder stark belastet zu fühlen.
Eine verpasste Chance auf leistbares Wohnen
Die Kritik an der Landesregierung wird lauter: Sie habe die falschen Prioritäten gesetzt und trotz der Möglichkeit, bei gesunkenen Baupreisen den Wohnbau auszuweiten, nichts unternommen. Noch 2023, als der Wohnungsbau in eine Rezession geriet, hätte man Maßnahmen setzen können, um den gemeinnützigen Wohnbau wieder hochzufahren. Doch das Gegenteil war der Fall: Die Schwerpunkte der Wohnbaupolitik liegen heute in Vorhaben, die für große Teile der Bevölkerung unerreichbar sind, wie etwa der „Wohnbauoffensive für mehr Eigentum“, die weit am Bedarf vorbei geht.
Für viele Vorarlberger:innen bleibt der Traum vom Eigenheim ohnehin unerreichbar. Laut Arbeiterkammer könnte ein durchschnittlicher Haushalt, der heute eine 90 Quadratmeter große Eigentumswohnung kaufen möchte, dafür fast 35 Jahre lang zwei Drittel seines Gehalts aufwenden – eine Utopie für alle, die nicht auf eine großzügige Erbschaft zurückgreifen können.
Konsequenzen und politische Alternativen
Dass diese Entwicklungen nicht spurlos an der Bevölkerung vorübergehen, zeigt sich in der wachsenden Unzufriedenheit gegenüber der Regierungsarbeit. Gerade in einem Land wie Vorarlberg, das traditionell konservativ wählt, scheint ein politischer Wechsel nun greifbarer als je zuvor. Der Frust über steigende Mietpreise und die Wahrnehmung, dass die Interessen der Mieter:innen ignoriert werden, könnten sich schon bei der kommenden Landtagswahl bemerkbar machen. Zwar wird die Wohnkostenkrise öffentlich nur selten als zentrales Wahlkampfthema aufgegriffen, doch sie brodelt unterschwellig.
Parteien, die sich für den sozialen Wohnbau starkmachen, etwa die Sozialdemokraten, könnten daher zunehmend Zuspruch erhalten. Der Ruf nach einer drastischen Erhöhung des gemeinnützigen Wohnbaus und einer besseren Wohnbeihilfe wird lauter. Die Forderung ist klar: Mehr leistbarer Wohnraum muss geschaffen und die Vergabe von gemeinnützigen Wohnungen transparenter gestaltet werden. Auch die Vergaberichtlinien, die in vielen Gemeinden intransparent sind und zu langen Wartezeiten führen, müssen überarbeitet werden. Solange Menschen über Jahre hinweg auf eine gemeinnützige Wohnung warten müssen, ist leistbares Wohnen nicht mehr als ein leeres Versprechen.
Es bleibt abzuwarten, ob die Stimmen nach Veränderung gehört werden oder ob Vorarlberg weiterhin eine Region bleibt, in der Wohnen zu einem unbezahlbaren Luxusgut verkommt. Klar ist: Die soziale Schieflage auf dem Wohnungsmarkt könnte die politische Landschaft des Landes nachhaltig verändern.
Quellen:
https://www.vol.at/obdachlos-immer-mehr-menschen-kommen-bei-verwandten-unter/6202329
https://vbg.arbeiterkammer.at/service/presse/Wohnen_in_Vorarlberg_viel_zu_teuer.html
https://www.vol.at/vorarlberger-armutskonferenz-kritisiert-wohnungspolitik-des-landes/8952139
https://www.vol.at/ak-wohnumfrage-alarmierende-wohnkostenbelastung-weiter-angestiegen/8815126